Die Turkvölker und die Entstehung
des Osmanischen Reiches
In Zentralasien, in einem Gebiet zwischen Pamir und Jenissei, der Wolga
und dem Tien Schan Gebirge lebten lange vor Christi Geburt Nomadenstämme,
die sich in finno-ugrischer, türkischer und mongolischer Sprache
verständigten. Diese Völker können als "Urtürken"
angesehen werden. Sie waren kriegerische Reiter und begannen sich aus
einer noch ungeklärten Ursache in alle Richtungen des Kontinents
auszubreiten. Es gab vier Auswanderungswellen:
- Eine Völkerschaft überquerte die Wüste Gobi und die
Mongolei und wurde in Korea seßhaft.
- Eine andere zog nach Westen über den Kaukasus in den Norden Europas
(Finno-Ugrier).
- Die dritte Gruppe wanderte nördlich bis Sibirien (Tungusen).
- Die vierte Gruppe zog nach Süden durch das heutige Russisch-Turkestan
und Aserbaidschan bis zum Perischen Golf.
Die Hunnen unter ihrem Anführer Attila waren ein Turkvolk, welches
das Chinesische Kaiserreich und Europa im Jahre 375 n.Chr. durch ihre
Einfälle unaufhörlich bedrohte. Die hunnischen Reitereien wurden
als "Horden" bezeichnet. In der uigurischen Spracheheißt
"Ordu" Heer, so wie heute noch im Türkischen. Das Vordringen
der Hunnen löste in Europa die große Völkerwanderung aus.
Im 8. - 9. Jahrhundert n. Chr. teilten sich die Turkvölker in osttürkische
Stämme (Uiguren und Kirgisen) und westtürkische Stämme
(Ogusen). Mitte des 6. Jahrhunderts gründeten die Ogusen in Westturkestan
ein blühendes Reich mit der Hauptstadt Samarkand. Sie bekannten sich
zum Islam. Die Seldschuken, ein Ogusen-Stamm, drangen im Jahre 955 n.Chr.
unter der Führung des Fürsten Seldschuk in das Abbassiden Reich
(Irak) vor und unterwarfen es. Seldschuks Nachfolger Israil, Mikail, TuÈ
rul Bey und Alp Arslan dehnten die Herrschaft bis Bagdad, der Haupstadt
der Kalifen, aus, welches 1055 n.Chr. eingenommen wurde. Sie drangen bis
an die Ostgrenzen des byzantinischen Reiches vor und besiegten in der
Schlacht bei MantzikertKaiser Romanos IV Diogenes von Byzanz. Der Seltschukenchan
Suleiman gründete das "Reich von Rum" mit der Hauptstadt
Nicaea. Im Jahre 1078 legte er den Titel Chan ab und nannte sich von nun
an Sultan. Die Anrede Sultan trug derjenige, der ein mächtiger unabhängiger
Herrscher über ein großes Gebiet war. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts
war alleine das Reich der Rumseldschuken von machtpolitischer Bedeutung,
während die anderen seldschukischen Besitztümer verloren gingen.
Anfang des 12. Jahrhunderts machte Sultan Mesut I Iconium zur neuen Hauptstadt.
Während des 3. Kreuzzuges (1190) wurde die blühende Kulturmetropole
des Islams vollkommen zerstört, erstand aber bald wieder in neuem
Glanz.
In Konya wurde am Anfang des 13.Jahrhunderts der erste Derwischorden
(Mewlewi) gegründet, der später eine wichtige religiöse
und politische Rolle im Osmanischen Reich spielte. Um sich gegen die Kreuzfahrer
besser verteidigen zu können, entstand der militärisch ausgerichtete
Derwischorden der Bektaschi, der die Grundideologie für die spätere
Janitscharentruppe enthielt.
In den Jahren 1155 - 1227 befehligte der Mongole Ghengis Khan ein Heer
von Reitern turkmenischen und mongolischen Ursprungs. Indem er sein Weltreich
nach Osten ausdehnte, bedrohten seine Horden die Völker der Christenheit.
Ghengis Khan starb 1227 überraschend und sein Sohn Ogedai setzte
die Eroberungsfeldzüge fort. Nach seinem Tod 1241 zersplittertedas
Mongolenreich in Fürstentümer. Teile der mongolischen Truppen
traten in den Dienst des ägyptischen Sultans und aufgrund ihrer militärischen
Fähigkeiten rissen sie die Macht an sich. Sie gründeten 1257
die Dynastie der Türkischen Mameluken , die bis 1382 bestehen sollte.
Hier noch ein Mal die chronologische Auflistung der Turkvölker:
Der erste in der Geschichte erwähnte türkische Stamm
ist der der Hunnen. Deutliche Dokumente über die Hunnen datieren
ihr Erscheinen auf das 8. Jahrhundert v.Chr. Chinesische Quellen bezeichnen
die Hunnen als Hiung-nu und einige Hunnen wanderten rechtzeitig in den
Westen ab.
Von Bumin Khan im Jahre 552 n.Chr. gegründet, engagierten
sich die Gokturken in weitverbreiteten diplomatischen Aktivitäten.
Die berühmten Orhun-Epitaphen aus dieser Periode setzen sich aus
den Grabsteininschriften von Tonyukuk (d.720), Kültigin (d.731) und
Bilge Kagan (d.734) zusammen.
Die Herrschaft der Gökturken wurde im Jahre 745 durch die
Uiguren beendet, die demselben ethnischen Stamm entsprangen. Auf diese
Weise zerstreuten sich all jene Türken, die unter dem Banner der
Gökturken zusammenströmten, unter dem der Uiguren. Das landwirtschaftliche
Becken, in dem sie lebten, wurde als Turkistan bekannt. Im Jahre 1229
beendeten die Mongolen die Herrschaft der Uiguren; jedoch wurden die Uiguren
ihre kulturellen und politischen Mentoren.
Die Türken und der Islam
Kontakte zwischen Türken und Moslems begannen zu Anfang des 8. Jahrhunderts
und einige Türken fingen an, den Islam zu bevorzugen. Jedoch beschränkte
die pro-arabische Politik der Omayaden (661-750 n.Chr.) diese Beziehungen
ein wenig. Später nahmen viele moslemische Türken Ämter
in der Abbside-Regierung an und deswegen verbreitete sich großes
Interesse an der islamischen Welt unter den Türken jenseits des Flusses
Ceyhun. Handelskarawanen spielten auch eine wichtige Rolle bei der Verbreitung
des Islams in die Steppen Zentralasiens. Die Türken wurden mit dem
10. Jahrhundert ganz islamisiert. Daraus folgte das Erlangen einer politischen
Einheit. Diesen Entwicklungen folgend wurde der erste moslemische türkische
Staat von den Karahanen gegründet.
Die Karahanen regierten zwischen 990-1212 in Turkistan und Maveraünnehir.
Die Herrschaft der Karahanen ist vom Gesichtspunkt der türkischen
Kultur und Kunstgeschichte besonders bedeutsam. In dieser Zeit wurden
Moscheen, Schulen, Brücken und Karawansereien in den Städten
errichtet. Buhara und Samarkand wurden zu Bildungszentren. In dieser Zeit
fand auch die türkische Sprache Möglichkeiten, sich zu entwickeln.
Unter den wichtigsten Arbeiten dieser Periode befindet sich Kutadgu Bilik
(zu übersetzen mit: "Das glücklichmachende Wissen").
Es wurde in den Jahren 1069-1070 von Yusuf Has Hacib geschrieben.
Der Staat Ghaznavi wurde im Jahre 963 vom türkischen Herrscher
Sevuktekin gegründet, war einer der ersten moslemischen türkischen
Staaten und arbeitete unnachgiebig an der Expansion des Islams in Indien.
Die Ghaznaviden brachen schließlich im Jahre 1186 auseinander und
wurden in die Oguz integriert. Der türkische Gelehrte Ebu Reyhan
el-Beyruni machte diese Periode zu einer der wichtigen innerhalb der islamischen
Kulturgeschichte und schrieb in dieser Zeit (1009) durch den Poeten Firdevsi
das berühmte Werk Tehname.
Die Seldschuken
Die Oguz, die den Staat Ghaznavid zerstörten, schafften es,
Anatolien, den südlichen Teil des Kaukasus, Aserbaidschan und den
Norden des Irans unter türkische Herrschaft zu bringen. Zuerst bildeten
die Oguz im 6. Jahrhundert das Göktürk-Reich. Mit der Ausbreitung
des Islams unter den Türken, wurden die Oguz von den Türken
"Turkmenen" genannt.
Tugrul Bey und Çagri (Çakir) Bey waren Enkel der Seldschuken,
deren Name von der Seldschuken-Dynastie adoptiert wurde. Zu ihrer Zeit
unterwarfen sie und die Oguz, die historisch als Seldschuken bekannt wurden,
Horasan, schlugen den ghaznavidischen Herrscher Mesud in der Schlacht
bei Dandanakan und gründeten im Jahre 1040 das große Seldschukenreich.
Im Jahre 1071 kommandierte Alp Arslan (1063-1072) die Schlacht von Malazgirt.
Nachdem er die Streitkräfte des Byzantinischen Eroberers in dieser
Schlacht geschlagen hatte, öffneten sich die anatolischen Türen
den moslemischen Türken.
Das Jahr 1071 wird als Anfang des türkischen und moslemischen Anatoliens
betrachtet. Ab diesem Zeitpunkt eroberten die Türken ganz Anatolien
und gründeten den anatolischen Seldschukenstaat als Teil des großen
Seldschukenreiches.
Die ersten Lehreinrichtungen, moslemische Theologiehochschulen, wurden
in Anatolia während der Zeit Kiliç Arslans (1153-1192) gebildet,
die eine in Konya, die andere in Aksaray. Der Gründung dieser beiden
Hochschulen folgend wurden weitere Hochschulen in Sircali in Konya (1242-1243),
Karatay (1252), Ince Minareli (1251-1253), Atabekkiye (nach 1251-1268),
Gökmedrese in Sivas (1271), Buruciye (1271-1272), Çifte Minareli
(1271) und Cacoglu in Kirsehir (1272) gegründet.
Die Seldschuken maßen auch den medizinischen Wissenschaften große
Bedeutung bei. So wurden in nahezu allen ihren Städten medizinische
Institutionen, die Darush-Shifa, Darul-Afiye und Darus-Sihna genannt wurden,
und Krankenhäuser errichtet. Die bedeutsamsten medizinischen Behandlungszentren
waren Gevher Nesibe in Kayseri (1205), Izzettin I Keykavus in Sivas (1217),
Torumtay in Amasya (1266), Muinuddin Pervane in Tokat (1275) und Pervaneoglu
Ali in Kastamonu (1272).
Durch den vom Iran kommenden persischen Einfluß auf die Intellektuellen,
Verwaltungsfachleute, Künstler und Händler, hatte die iranische
Kultur und Sprache immer mehr Auswirkungen auf den anatolischen Seldschukenstaat.
Die Beyliken
Die antiken Fürstentümer
Die politische Einheit in Anatolien wurde von der Zeit des Zusammenbruches
des anatolischen Seldschukenstaates zu Beginn des 14. Jahrhunderts (1308)
bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts unterbrochen, als jede der Regionen
des Landes unter die Herrschaft von Beyliken (Fürstentümer)
fiel. Schließlich wurde das Ottomanische Fürstentum, das alle
anderen Fürstentümer zerstörte und die politische Einheit
in Anatolien wiederherstellte, in den Gegenden um Eskisehir, Bilecik und
Bursa gegründet.
Andererseits blieb die Gegend in Zentralanatolien östlich der Ankara-Aksaray-Linie
bis hin zur Gegend um Erzurum bis zum Jahr 1336 unter der Verwaltung des
Ilhani-Generalgouverneurs. Die internen Machtkämpfe in Ilhan gaben
den Fürstentümern in Anatolien ihre vollständige Unabhängigkeit.
Zusätzlich wurden in den Gebieten, die vormals unter Ilhan-Besetzung
standen, neue türkische Fürstentümer gebildet.
Während des 14. Jahrhunderts begannen die Turkomanen, die westlichen
Türken, ihre frühere politische Souveränität in der
islamischen Welt wiederherzustellen.
Während der Zeit der anatolischen Fürstentümer machte
die türkische Sprache und Kultur eine rapide Entwicklung durch. In
diesem Zeitraum begann es, daß die türkische Sprache in den
Wissenschaften und in der Literatur angewandt wurde. Sie wurde die offizielle
Sprache der Fürstentümer. Neue Hochschulen wurden errichtet.
In den medizinischen Wissenschaften wurden in diesem Zeitraum Fortschritte
erzielt.
Gültehri, Nesimi (d. 1404) und Ahmedi (1325-1412) sind die bekanntesten
türkischsprachigen Poeten des 15. Jahrhunderts.